Die Schwerpunkt-Bausteine von Assessment-Centern haben sich in den vergangenen Jahren verschoben. Postkorb-Übung und Gruppendiskussionen kommen seltener zum Einsatz. Interviews, Rollenspiele und Präsentationen sind heute besonders häufig. Außerdem geht der Trend zu kürzeren Assessments.
“Unser Jugendamt bittet Sie als Rekruter um Unterstützung!” So begann mein Arbeitsauftrag im Assessment-Center um die Rekruter-Stelle bei einem Berliner Bezirksamt vor vielen Jahren. Die Instruktion fuhr fort: Mehrere Sozialpädagogen-Stellen seien zu besetzen, jedoch ließe die Qualität der eingehenden Bewerbungen seit mehr als einem Jahr erheblich nach. In einem separaten Raum hatte ich 15 Minuten Zeit, eine Präsentation vorzubereiten, mittels derer ich die wartende Jury überzeugen sollte, dass ich der Richtige für die Rekruter-Stelle sei, der ideale “Sozialpädagogen-Fischer”.
Häufigste AC-Module: Interviews, Zweiergespräche und Präsentationen
Auch wenn ich mich später für eine andere Stelle entschied – meine Erfahrung aus solchen Assessment-Centern gebe ich als Berufsberater in Berlin heute gern weiter, denn: Zwei Dinge an meinem Auftrag waren hoch aktuell. Einerseits steigt der Anwendungs- bzw. Stellenbezug von Assessment-Center-Aufgaben. Andererseits ist die “Präsentation” als ein AC-Baustein mittlerweile ganz vorn. Laut “Assessment-Center-Studie 2016” des Forums Forum Assessment e. V., für die 166 Unternehmen befragt wurden, setzen 86 % der Befragten Kandidaten-Interviews im AC ein (2012: 77 %), also jenen Baustein, der dem klassischen Vorstellungsgespräch am nächsten kommt. Auf Platz 2 folgten Zweiergespräche mit 83 % und auf Platz 3 Präsentationen mit 78 %.
Zweiergespräche können bspw. Rollenspiele sein, die dann meist einen klaren Bezug zum Aufgabenprofil der ausgeschriebenen Stelle aufweisen. In einer derartigen Situation saß ich einst einem Mitarbeiter des avisierten Arbeitgebers gegenüber, der die Regieanweisung hatte, einen beratungsresistenten jugendlichen Kunden zu spielen. Diesem “Kunden” sollte ich eine berufsbezogene Beratung schmackhaft machen.
Postkorb ade …
Abgeschlagen zeigt sich heute ein Klassiker, der für viele zum Synonym für Assessment-Center geworden ist: die Postkorb-Übung. Generationen von AC-Erleidenden mussten sich im Priorisieren ihrer dienstlichen Post üben und wichtige von weniger wichtigen Eingängen unterscheiden. Für 2016 gaben nur noch 23 % der befragten Unternehmen an, ihre Bewerberinnen und Bewerber solcherart zu fordern.
Auch die von vielen Kandidatinnen und Kandidaten gefürchtete Gruppendiskussion ist auf dem Rückzug: Offenkundig empfindet eine steigende Zahl an Personalverantwortlichen sie als nicht mehr aussagekräftig genug, um das Ziel jedes Assessment-Centers zu erreichen: einen Menschen einzuschätzen, speziell im Hinblick auf seine Soft Skills.
Wachsende Bewerbermacht
Die Bausteine von Assessment-Centern verschieben sich aber nicht nur, der Trend geht zudem zu kürzeren Assessment-Centern. Zogen sich diese früher oft über mehrere Tage hin, so beschränken sie sich heute oft auf wenige Stunden. Manche Unternehmens-Rekruter räumen ein, dass sie sich in Zeiten wachsender Bewerbermacht – Stichwort demografische Veränderungen – tagelange Assessment-Foltern schlicht nicht mehr erlauben könnten.
Es gab schon schlechtere Nachrichten vom Arbeitsmarkt.
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